Lernen mit allen Sinnen
Für Generationen von SchülerInnen hat das Grauen einen Namen: Vokabelheft. Es zu führen und seinen Inhalt immer wieder durchzukauen, stets in der Hoffnung, dass etwas hängen bleibt, gehört zu den wohl unpopulärsten Pflichten während der Schulzeit. Auch im Erwachsenenalter kann das mühsame Büffeln isolierter Wörter frustrierend sein. Oft fehlt ein „sinnvoller“ Kontext, in dem die unbekannten Laute und neuen Begriffe aufgenommen werden. Nicht ohne Grund studiert sich eine Fremdsprache im Ausland am besten. Doch multisensorische Ansätze können auch am heimischen Schreibtisch das Pauken erleichtern.
Dass Kinder schneller schreiben lernen, wenn sie die Buchstaben zuvor mit dem Finger nachfahren, stellte die italienische Ärztin und Reformpädagogin Maria Montessori schon vor rund 100 Jahren fest. 2015 kamen auch WissenschaftlerInnen des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften zu der Erkenntnis, dass Bewegung für den Spracherwerb eine zentrale Rolle spielt: Wer fremde Wörter nicht nur hört, sondern sie mit einer Geste ausdrückt, merkt sie sich eher. Hilfreich sei auch die Verknüpfung mit passenden Bildern sowie weiteren ineinandergreifenden Sinneseindrücken. Wer zum Beispiel das englische Wort für Apfel lernen will, sollte das Obst mit den Händen formen, einen echten „apple“ schmecken und riechen, eine Zeichnung von ihm betrachten oder sich eine Situation vorstellen, in der dieser im Mittelpunkt steht.
„Reformpädagogisch orientierte Einrichtungen wie Waldorf- oder Montessorischulen nutzen seit vielen Jahren derartige Methoden“, erläutert Projektleiter Andreas Rebmann, der über viele Jahre Förderprojekte der SAGST aus diesem Umfeld begleitet hat. „Wie auch in anderen Gebieten haben freie Schulen damit gewissermaßen Pionierarbeit für einen zeitgemäßen Fremdsprachenunterricht geleistet, aus der auch fruchtbare Anregungen für die allgemeine didaktische Praxis hervorgegangen sind.“