Sinn erleben in der Dunkelheit
„Wie viel Farben hat die Welt?“, fragt ein berühmtes Kinderlied und nimmt die Pracht der äußeren Umgebung in den Blick: einen Regenbogen, eine Blumenwiese, eine Sammlung von Edelsteinen. Doch am Ende kommt es zu dem Schluss: „Was du mit dem Herzen siehst, glänzt auch ohne Licht.“ Wie aber muss man sich ein Leben völlig ohne Licht vorstellen – und ohne die vielfältigen Informationen, die uns unser Sehsinn über die Außenwelt vermittelt? Wenn er nicht mehr oder nur noch eingeschränkt vorhanden ist – versinkt dann nicht alles in Finsternis?
Diesen Fragen widmet sich auch die Gesellschaft für Friedenserziehung e. V. im Zentrum für Friedenskultur (ZFK) in Siegen. Sie ermöglicht ganzheitliche Formen der Kulturbegegnung und des Wissenserwerbs. Zielgruppe sind blinde, sehbehinderte und in ihrer Mobilität eingeschränkte Menschen. Das Projekt Nonvisuell.digital – Das inklusive Dorf bringt Tausende von ihnen zusammen: Auf einer eigens programmierten, telefongestützten Kommunikationsplattform können Gleichgesinnte über ihre Erlebnisse bzw. Alltagsprobleme sprechen und sich gegenseitig helfen. Das barrierefreie Angebot umfasst auch sprachbasierte Museumsführungen oder eine Bibliothek für Hörmedien sowie vieles andere mehr. Und die Gesellschaft geht noch weiter: Das Dunkelcafé im Gebäude des ZFK möchte Sehenden eine Antwort auf die Eingangsfrage geben und erlebbar machen, wie es ist, sich nicht auf seinen Sehsinn verlassen zu können. Ein Team aus blinden und sehenden Vereinsmitgliedern führt BesucherInnen durch das Dunkelcafé oder durch Erlebnisse wie „Dinner In The Dark“. Im Dunkeln treten auf einmal andere Instinkte in den Vordergrund, schärfen sich Wahrnehmung und Konzentration. Als Ort der Bildung und des Lernens baut das Dunkelcafé einerseits Berührungsängste ab, andererseits Verständnis für das Anderssein auf – Inklusion in Bestform.