Neue Studie: „Die biodynamische Bewegung und Demeter in der NS-Zeit“

Buchpräsentation
Foto:J. Behrens

Über 160 Interessierte besuchten Anfang Juli die Veranstaltung in den Räumlichkeiten des Dokumentationszentrums Topographie des Terrors, bei der Dr. Jens Ebert, Dr. Susanne zur Nieden und Meggi Pieschel ihre Forschungsergebnisse vorstellten. Auftraggeber der wissenschaftlichen Arbeit mit dem Titel „Die biodynamische Bewegung und Demeter in der NS-Zeit. Akteure, Verbindungen, Haltungen“ sind der Demeter e. V., die Biodynamic Federation Demeter International und die Sektion für Landwirtschaft am Goetheanum – Freie Hochschule für Geisteswissenschaft. Zur Finanzierung hat neben weiteren Stiftungen auch die SAGST beigetragen.

Das unabhängige Forschungsteam konnte auf umfangreiche Quellen zurückgreifen: Über die rund 2.000 Personen, die sich während der Zeit des Nationalsozialismus dem biodynamischen Umfeld zugehörig fühlten, existieren u. a. 10.000 Seiten aus dem NS-Überwachungsapparat sowie Unterlagen aus mehr als 30 weiteren Archiven und Nachlässen. Wie die aktuelle Publikation zeigt, akzeptierten die damaligen Verantwortlichen mit der Gründung des „Biodynamischen Reichsverbands“ im Jahr 1933 die Bedingungen des nationalsozialistischen Regimes und schlossen Jüdinnen und Juden aus dem Verband aus. In den folgenden Jahren konnte die Bewegung zunächst wachsen und es kam zu institutionellen Kooperationen – nicht zuletzt unter dem Schutz von Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß, der ein Anhänger der neuen, ökologischen Wirtschaftsweise war.

Die AutorInnen der Studie untersuchen ideologische Überschneidungen und Formen der Zusammenarbeit, thematisieren aber auch „gravierende Unterschiede zwischen der biodynamischen und der nationalsozialistischen Bewegung sowie die vielfältigen Formen des Widerstehens von Anhängern und Funktionären“, so die Historikerin Prof. Dr. Daniela Münkel in ihrer Einleitung. Im Sommer 1941 erfolgte vor diesem Hintergrund die Auflösung des Verbands durch die Gestapo, allerdings ließ SS-Reichsführer Himmler sechs biodynamische Fachkräfte rekrutieren, um bei gärtnerischen Versuchen im KZ Dachau mitzuwirken. Nach Kriegsende musste sich als einziger Beteiligter der Gärtner Franz Lippert einem Entnazifizierungsverfahren stellen, er wurde – wie die Mehrzahl der Deutschen – entlastet.

Demeter-Vorstand Dr. Alexander Gerber bedankte sich in Berlin ausdrücklich bei den AutorInnen sowie dem fünfköpfigen wissenschaftlichen Beirat für die intensive und ergebnisreiche Arbeit: „Nun sind wir als biodynamische Gemeinschaft auf wissenschaftlichem Niveau gesprächsfähig, haben differenzierte Antworten und können als Verband auch Stellung beziehen“, betonte er. „Als ideelle Nachfahren der damaligen Protagonisten nehmen wir unsere Verantwortung ernst und distanzieren uns von der aktiven Kollaboration einiger Biodynamiker, speziell von deren Mitwirken in den landwirtschaftlichen Anstalten der SS in Konzentrationslagern. Wir verurteilen zudem die versuchte Anbiederung mit Größen des NS-Systems und den Ausschluss jüdischer Mitglieder aus dem biodynamischen Reichsverband.“

Jens Ebert, Susanne zur Nieden, Meggi Pieschel: Die biodynamische Bewegung und Demeter in der NS-Zeit. Akteure, Verbindungen, Haltungen. Metropol Verlag, Berlin 2024.

Positionierung gegen Rassismus: Stellungnahme des Demeter e. V., der Biodynamic Federation Demeter International e.V. und des Goetheanums – Sektion für Landwirtschaft