Ökologische Rinderzucht: Lebensleistung zählt

Kühe unter einem Baum
Foto: ARGE-LL

Dass Rinderzucht nach ökologischen Kriterien sich auch wirtschaftlich rechnet, belegt eine Recherche zur Nutzungsdauer bei  der Organisation Interbull: In der internationalen Statistik, die den Zuchtwert Nutzungsdauer anhand der weiblichen Nachfahren der Bullen berechnet, nehmen sechs Zuchtbullen aus dem von der Software AGStiftung geförderten Programm Rinderzucht auf Lebensleistung die Spitzenplätze ein.

In der Interbull-Listung von rund 78.000 Holstein-Frisian-Bullen geht es um den Zuchtwert Nutzungsdauer. Auf den ersten sechs Plätzen stehen Bullen, die von den Arbeitsgemeinschaften für Rinderzucht auf Lebensleistung nach den Kriterien der Fitness und Dauerleistung gezüchtet wurden (aus den Jahrgängen 1960 bis 2000, Zuchtwertschätzung Dezember 2015). „Die Vererbung von Lebensleistung, Nutzungsdauer und somit überragender Wirtschaftlichkeit ist damit eindeutig bewiesen“, erklärt Dr. Günter Postler von der Arbeitsgemeinschaft für Rinderzucht auf Lebensleistung (ARGE-LL). „Diese hervorragende Genetik ist die Grundlage unseres zukunftsorientierten Zuchtprogramms, sie gilt es zu erhalten und auszubauen.“ Das in Schweden ansässige Auswertungszentrum von Interbull, ein Sub-Komitee des International Committee for Animal Recording, sammelt und überprüft nationale Zuchtwertschätzungsverfahren und ermöglicht es dadurch, Zuchtwerte international zu vergleichen.

Künstliche Besamung ist längst ein weltweites Geschäft, dessen Bewertungskriterien jedoch immer einseitiger auf Hochleistungstiere zielen. Während für ökologisch ausgerichtete Betriebe Langlebigkeit und Lebensleistung der Rinder von großer Bedeutung sind, spielen diese Faktoren in der konventionellen Züchtung eine untergeordnete Rolle. Insbesondere die genomische Selektion, bei der genetische Untersuchungen Aussagen über Zuchtwerte liefern, verändert weltweit die bisherigen Strukturen der Rinderzucht: „Über Generationen bewährte Zuchtkriterien zur Auswahl eines Bullen, etwa der Blick auf die Kuhfamilien oder ein funktioneller Körperbau, verlieren immer mehr an Bedeutung“, so Dr. Postler. Es sei zu befürchten, dass die Anzahl der Zuchtbullen aus unabhängiger, bäuerlicher Zucht immer stärker aus dem Angebot der Besamungsstationen verdrängt und künftig sogar ganz verschwinden wird.

„Die Basis für eine eigenständige, ökologisch orientierte Rinderzucht ist existenziell in Gefahr“, unterstreicht auch Klaus Plischke, zuständiger Projektleiter der Software AG – Stiftung. „Unsere Stiftung unterstützt deshalb die wichtige Arbeit der ARGE-LL ebenso wie weitere Forschungsprojekte, beispielsweise das praxisorientierte Forschungsprojekt „Kuhfamilien und Natursprungbullen“ des Forschungsinstituts für ökologische Tierzucht und Landnutzung – FIT.“ Die in der konventionellen Zucht üblichen extremen Einseitigkeiten, die lediglich höchste kurzfristige Milchleistungen und schnelle und hohe Mastleistungen zum Ziel haben, seien aus der ganzheitlichen Sicht einer ökologischen Wirtschaftsweise nicht akzeptabel und widersprächen auch dem Tierwohl-Gedanken.

Artikel mit weiteren Hintergrundinformationen

Link zur Europäischen Vereinigung für Naturgemäße Rinderzucht - EUNA