In Bewegung bleiben: Studie zur Sturzprophylaxe

Alte Menschen in Bewegung: Übungen mit Eurythmiekugeln
Foto: C. Fischer

„Eine wirksame Sturzprävention erhöht die Lebensqualität und senkt die Kosten aufgrund gesundheitlicher Folgen enorm“, sagt Studienleiterin Dr. Gunver Kienle, Ärztin am Zentrum für Naturheilkunde des Universitätsklinikums Freiburg. „Wenn die Betroffenen wieder Sicherheit in der Bewegung verspüren, dürften sie auch weniger Angst vor Stürzen haben und sich selbstständiger im Alltag bewegen. Das wäre eine deutliche Entlastung.“

Die sogenannte ENTAiER-Studie, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung vier Jahre lang mit rund zwei Millionen Euro gefördert wird, untersucht den Einfluss von Eurythmietherapie und Tai-Chi auf das Sturzrisiko, auf Balance und Mobilität, aber auch, wie sie sich auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität, die Stimmung und die geistige Wachheit der TeilnehmerInnen auswirken. In acht Zentren (u. a. in Freiburg, Berlin und Herdecke) werden 550 chronisch kranke PatientInnen ab 65 Jahren mit einem erhöhten Sturzrisiko per Zufall einer von drei Behandlungsgruppen zugeteilt. Sie praktizieren ein halbes Jahr lang regelmäßig entweder Tai-Chi oder Heileurythmie bzw. erhalten die übliche hausärztliche Regelversorgung. Alle Teilnehmenden bekommen außerdem eine Broschüre mit Tipps zur Sturzprophylaxe ausgehändigt. Die Übungen werden in kleinen Gruppen unter Anleitung entsprechend ausgebildeter Fachleute durchgeführt sowie regelmäßig zu Hause geübt.

Gruppenübungen per Video-Chat
Auch hier brachte Corona die üblichen Abläufe durcheinander: Da die Teilnehmenden der Studie aufgrund ihres Alters und ihrer Vorerkrankungen zur besonders gefährdeten Risikogruppe zählen, mussten die Treffen an den Studienzentren mehrere Monate lang ausgesetzt werden. „Wir hatten keine andere Wahl, als die laufenden Kurse in kurzer Zeit umzuorganisieren“, schildert Kienle. „Manche konnten online als Videokonferenz durchgeführt werden, in anderen gab es Unterstützung per Telefon. Zum Glück hatten sich alle vorher schon getroffen und wussten, wie sie zu Hause weiterüben können.“ Wie die TherapeutInnen berichteten, litten nicht wenige Teilnehmende während des Lockdowns unter der auferlegten Isolation oder machten sich Sorgen um die Folgen der Pandemie. Diese seelischen Belastungen konnten im Austausch per Video oder Telefon durch die Gruppe zumindest etwas aufgefangen werden. „Einige Teilnehmende, die nicht auf Online-Kurse umsteigen konnten, haben eine feste Zeit vereinbart, zu der dann alle gleichzeitig zu Hause geübt haben.“ Auch das hat laut Kienle ein Gefühl der Verbundenheit geschaffen.

Mit finanzieller Unterstützung durch die SAGST wird am Studienzentrum Essen darüber hinaus eine Substudie mit insgesamt 60 PatientInnen durchgeführt, die zwei weiteren Aspekten nachgeht. Das Team um Dr. Holger Cramer, Forschungsleiter der Klinik für Naturheilkunde und Integrative Medizin in Essen, untersucht den Einfluss der verschiedenen Therapien auf die Zellalterung und führt ergänzend dazu qualitative Befragungen durch, um zu erfahren, ob und wie sich die Lebensqualität der Teilnehmenden verbessert hat. „Die sogenannte Telomerlänge wird als harter wissenschaftlicher Messparameter für den Status der Zellalterung auch konventionell medizinisch anerkannt“, führt SAGST-Projektleiterin Sandra Würtenberger aus. Telomere sind bestimmte DNA-Sequenzen, die sich im Alter verkürzen. In der Folge stellen die alternden Zellen die Zellteilung ein. „Sollte sich nachweisen lassen, dass Mind-Body-Verfahren wie die Heileurythmie diesen Prozess positiv beeinflussen“, so Würtenberger, „würde ihnen das zu einer größeren wissenschaftlichen Beachtung verhelfen.“