Voller Körpereinsatz: Fremdsprachenunterricht an Waldorfschulen

Lehrer mit vollem Köpereinsatz im Kreis von SchülerInnen
Foto: C. Fischer

„Der Unterricht vollzieht sich zunächst rein im Mündlichen und Bildhaften, im Hören, gemeinsamen Sprechen und Tun“, erläutert Prof. Dr. Peter Lutzker, Dozent an der Freien Hochschule Stuttgart und Autor mehrerer Bücher über Sprachsinn und Fremdsprachenlernen. Erst ab der vierten Klasse werde das zuvor in Liedern und Reimen Geübte schriftlich erfasst und durch Lektüre vertieft. So machen sich die Kinder mit den neuen Klängen vertraut, erfahren die Sprache unmittelbar und bringen sie mit Kultur, Geschichte sowie der Geografie der Herkunftsländer in Verbindung.

Anfangs geschieht das Lernen dabei im Wesentlichen durch Nachahmung der Lehrperson, die fast ausschließlich in der Fremdsprache kommuniziert und der es mit zusätzlichen gestischen wie mimischen Ausdrucksmitteln gelingen muss, dass die SchülerInnen an ihren Lippen hängen – und das, obwohl diese zuerst meist nicht viel verstehen. Vor diesem Hintergrund, so Lutzker, müssten (Waldorf-) SprachlehrerInnen nicht in erster Linie Philologen, sondern vor allem gute Schauspielerinnen und begeisternde Geschichtenerzähler sein. Deshalb hat er bereits vor Jahren Fortbildungen entwickelt, die solche performativen Aspekte des Unterrichts in den Mittelpunkt stellen: Intensivwochen mit Schauspiel-DozentInnen, in denen die LehrerInnen üben, mit dem ganzen Körper ausdrucksstark aufzutreten.

Im Zeitalter digitaler Übersetzungsprogramme mag mancher die Notwendigkeit des Fremdsprachenunterrichts hinterfragen: Ist das beschwerliche Vokabel-Lernen angesichts der rasanten technischen Entwicklung nicht längst obsolet? „Die Maschinen sind bereits erstaunlich gut und werden natürlich immer besser“, so Lutzkers Einschätzung. Doch gerade deshalb findet er es wichtig, die grundsätzliche Bedeutung des Fremdsprachenlernens in den Blick zu nehmen, welche schließlich jenseits des reinen Wissensaustauschs liege: „Was gewinnen wir als Menschen, wenn wir den anderen unmittelbar verstehen können? Hier gilt es, altersgemäße Wege zu finden, damit die Schülerinnen und Schüler erleben, wie schön dieses Verständnis ist – und zwar unabhängig davon, ob es eine Maschine gibt, die das gleiche viel schneller macht.“

Veranstaltungstipp:
„Sinne als Verbindung zur Welt“
17. Pädagogische Sommerakademie, 27. bis 30. Juli 2024
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Zum Weiterlesen:
Susanne Speckenbach, Peter Lutzker: Künstlerischer Fremdsprachenunterricht. Impulse aus der Waldorfpädagogik, Pädagogische Forschungsstelle Stuttgart, Stuttgart 2023.
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