Von Drahtseilakten und rollenden Kugeln

Foto: Circus Waldoni

Die Zirkuspädagogik nutzt Elemente aus der Welt des Zirkus, um motorische, aber auch persönliche Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen auf spielerische Weise zu fördern. Dabei geht es nicht darum, sie möglichst früh zu artistischen Höchstleistungen zu motivieren. Im Vordergrund stehen vielmehr ganzheitliche Lernprozesse: Beweglichkeit, Koordination und Körperbewusstsein werden geschult, die Teilnehmenden erleben die Bedeutung von Teamarbeit und erweitern ihre sozialen Kompetenzen.

2004 nahm der Circus Waldoni im Stadtteil Eberstadt-Süd seine Tätigkeit in unterschiedlichen Gruppen auf. Die umliegenden Kindergärten sind regelmäßig in der Grenzallee vor Ort, das Team unterstützt den Sportunterricht der Grundschulen sowie das Ganztagsprogramm anderer lokaler Bildungseinrichtungen. Hinzu kommen Trainingsgruppen, in denen rund 500 Mädchen und Jungen pro Woche betreut werden.

Dass hier der Gleichgewichtssinn eine zentrale Rolle spielt, liegt auf der Hand. Neben Akrobatik und Jonglage ist Balancieren eines der drei großen Lernfelder im Waldoni-Zelt, wie David Lanza aus dem Leitungsteam erklärt. Es umfasst Übungen auf dem Seil, die Arbeit mit großen, festen Kugeln sowie Einradfahren. „Das Kugellaufen ist vor allem für zappelige Kinder, die nur schwer stillhalten können, ein spannendes Erlebnis“, weiß Lanza, „denn dabei muss ich mich bewegen, um zur Ruhe zu kommen.“ In einer Zeit, in der Bewegungsmangel ein wachsendes Problem ist, schafft die Zirkuspädagogik eine kreative Möglichkeit, Kinder für mehr körperliche Aktivität zu begeistern. Auch den Ängsten übervorsichtiger Eltern kann hier gut entgegengewirkt werden. „Für eine gesunde Entwicklung ist es wichtig, auch mal irgendwo runterzufallen“, betont Lanza. „Im Zirkus bieten wir einen sicheren Raum, um solche Erfahrungen zu machen, ohne sich zu verletzen.“ Darüber hinaus setzt sein Team auf individuelle Ermutigung und richtet den Blick vor allem auf die persönlichen Stärken.

„Wir trainieren den Gleichgewichtssinn über den Körper, aber das hat natürlich auch spürbare Auswirkungen auf seelischer Ebene“, beobachtet Lanza. Viele Kinder müssten in ihrem Alltag den sprichwörtlichen Drahtseilakt im Spannungsfeld von schulischen Anforderungen und den Ansprüchen ihrer Familie meistern. Erfolgserlebnisse als ArtistInnen sowie das Gefühl von Selbstwirksamkeit stärken ihr Selbstbewusstsein und helfen, auch im übertragenen Sinne die Dinge ins Lot zu bringen.