Warme Farben statt grellem Kliniklicht

Klinikzimmer nach der Umgestaltung
Foto: A. Buether

Blinkende Lichter, Kabelsalat und piepsende Geräusche von Überwachungsgeräten, sterile Flure und Zimmer in blassen Farben: So oder ähnlich dürften bei den meisten Menschen die Assoziationen beim Schlagwort „Intensivstation“ aussehen – nicht gerade ein Ort zum Wohlfühlen. Dass es gute Gründe gibt, die übliche Gestaltung solcher Klinikbereiche zu hinterfragen und stattdessen freundlichere Farb- und Lichtkonzepte umzusetzen, belegt eine von der SAGST geförderte Studie an der Klinik für Intensivmedizin im HELIOS Universitätsklinikum Wuppertal.

Im Zuge der ohnehin anstehenden Renovierung von zwei Stationen arbeitete Chefärztin Dr. Gabriele Wöbker mit dem Farbforscher Prof. Dr. Axel Buether zusammen. Der Professor für Didaktik der Visuellen Kommunikation an der Bergischen Universität Wuppertal übernahm die Umgestaltung von insgesamt 18 Räumen mit 35 Betten. Die begleitende Studie untersuchte über einen Zeitraum von zwei Jahren – 2017 bis 2018 – die Effekte der neuen Wandfarben und Beleuchtung auf Wohlbefinden sowie Gesundheitszustand der PatientInnen, aber auch ihren Einfluss auf Arbeitsmotivation, Haltung und Verfassung des medizinischen und pflegerischen Personals.

Neben diesen Fragestellungen wurde auch eine spezielle medizinische Komponente in den Blick genommen: Vor allem nach chirurgischen Eingriffen mit Narkose geraten PatientInnen manchmal in sogenannte Delir-Zustände mit akuter Verwirrung und Wahrnehmungsstörungen, die den Genesungsprozess negativ beeinflussen können. Mit Medikamenten wie Benzodiazepinen und Neuroleptika lässt sich ein Delir zwar abmildern, jedoch nicht ursächlich behandelt werden. Deshalb ist Prophylaxe umso wichtiger: Eine durchdachte Inneneinrichtung, so die Annahme, kann helfen, sich auch in einem Umfeld wie der Intensivstation besser zurechtzufinden – und könnte sich positiv auf den Medikamentenverbrauch auswirken.

In den neu gestalteten Stationen in Wuppertal sorgen nicht nur verschiedene Farben, sondern auch der gezielte Einsatz des Lichts dafür, die jeweiligen Bereiche erkennbar voneinander abzugrenzen: Eher erdige Töne und wärmere Beleuchtung in Patienten- und Personalzimmern stehen helleren Farben und kühlerem Tageslichtweiß in den Fluren sowie Funktionsflächen gegenüber. „Der Kontrast erzeugt einen Atmosphärenwechsel, der die Aufenthaltsräume spürbar wohnlicher, wärmer und geborgener wirken lässt. Zudem wurden Wahrnehmungen wie Entschleunigung und Ruhe geschildert“, schreiben die Verantwortlichen der Studie. In einem Musterzimmer sind zusätzlich spezielle Leuchtmittel eingebaut worden, die den Tag-Nacht-Rhythmus nachbilden.

Sowohl die Patientenbefragungen als auch die Personalinterviews im Rahmen der Studie machen deutlich, dass sich die psychologischen Umweltfaktoren Farbe und Licht signifikant auf das persönliche Wohlbehagen auswirken. Zusätzlich zu erwartbaren Veränderungen, etwa dass die PatienInnen die Farbigkeit und Privatheit der neuen Zimmer als deutlich angenehmer einstuften (Steigerung um rund 63 bzw. 55 Prozent), nahm auch die Zufriedenheit mit der pflegerischen Betreuung zu (26 Prozent). Die Mitarbeitenden bewerteten die jeweiligen Raumfaktoren durchschnittlich knapp 41 Prozent positiver als vor der Renovierung. Auch im medizinischen Teil der Studie ergaben sich mit Blick auf nötige Delir-Behandlungen vielversprechende Ergebnisse: Der Verbrauch von Neuroleptika sank um durchschnittlich rund 30 Prozent.

Mehr Informationen und Ergebnisse der Studie „Beurteilung der psychologischen und medizinischen Wirkungen der Umweltfaktoren Farbe und Licht auf Patienten und Personal im Bereich der Intensivmedizin“ stehen auf der Website von Prof. Dr. Axel Buether zur Verfügung.