Aufwachsen im Rhythmus der Natur
Darauf, jedem Kind ausreichend Zeit und Raum zu geben, um sich durch sinnhaftes Tun sowie die Begegnung im sozialen Miteinander die Welt und ihre Zusammenhänge selbstständig zu erschließen, legt das Waldorf Kinderhaus Tutzing von Anfang an viel Wert. Die 1985 gegründete und aus einer Elterninitiative hervorgegangene Einrichtung hat sich seither beständig weiterentwickelt und 2016 ein eigens für Krippe sowie Kindergarten errichtetes Gebäude mit großzügigem Außengelände auf einer naturnahen Anhöhe oberhalb des Starnberger Sees bezogen. Mit Blick auf das bayerische Alpenvorland finden dort aktuell 55 Mädchen und Jungen bis zum Schuleintritt eine geschützte Umgebung zur Entfaltung ihrer Persönlichkeit.
Wie das Kinderhaus selbst wächst auch die Nachfrage nach Betreuungsplätzen vor Ort stetig. Aus diesem Grund hat sich der Trägerverein jüngst zur Eröffnung eines Eltern-Kind-Treffs sowie einer weiteren Kindergartengruppe entschlossen, die sich als erste und bislang einzige in der Region auf Natur- und Waldpädagogik fokussiert. Mit Unterstützung der Gemeinde und privater Forstbesitzer konnte die Institution hierfür ein direkt an den bestehenden Bau angrenzendes Areal gewinnen. Auf dem weitläufigen Freigelände bietet seit Oktober 2023 eine gemütlich eingerichtete Jurte den Heranwachsenden bei schlechtem Wetter Unterschlupf. Diese wird zugleich als Start- und Stützpunkt für die täglichen Ausflüge in den benachbarten Wald dienen. Dort können die Kinder die Welt rund ums Jahr mit allen Sinnen erkunden, ihre motorischen Fähigkeiten in der Gemeinschaft erproben und eine enge Bindung zur Natur aufbauen. Im Sommer und Herbst laden künftig zudem die süßen Früchte der geplanten Streuobstwiese zum Ernten im Naturgarten ein.
„Bei allen Aktivitäten ist uns eine gleichwertige Erziehung von Kopf, Herz und Hand, die den Willen und die natürliche Neugier der Kinder auf Selbstbildung fördert, besonders wichtig“, betont Fabian Waidacher, der die Einrichtung seit Juni 2020 leitet. Für den studierten Kindheitspädagogen und sein 13-köpfiges Team stellt darüber hinaus der Tages-, Wochen- bzw. Jahreslauf ein zentrales pädagogisches Element dar. „Die Kinder erleben hierdurch einen bewussten Wechsel aus Phasen der Bewegung und Ruhe, geführtem und freiem Spiel, handwerklichen und musischen Tätigkeiten, die mit dem Vorgang des Ein- und Ausatmens vergleichbar sind“, führt Waidacher aus. Wesentlicher Bestandteil dieses ganzheitlichen Lernprozesses ist der respektvolle Umgang mit anderen Menschen, Pflanzen und Tieren wie den ebenfalls auf dem Gelände beheimateten Hühnern und Bienen. Im Herbst 2024 sollen die Ausbauarbeiten, die u. a. von der Software AG – Stiftung (SAGST) gefördert werden, abgeschlossen sein. „Die vielfältigen Erlebnisse in der Natur bestärken die gesunde Entwicklung der Kinder auf körperlicher, geistiger und seelischer Ebene und unterstützen sie dabei, die Welt von Grund auf in all ihrer Vielfalt zu begreifen“, unterstreicht SAGST-Projektleiter Markus Kleikemper.