Gelebte Integration von Menschen mit Psychiatrie-Erfahrung

Seit den 1980er-Jahren steht die „Blaue Karawane“ in Bremen für kreatives Engagement und gelebte Integration von Menschen mit Psychiatrie-Erfahrung. Dabei setzt sie konsequent auf Sozialraumorientierung (SRO). Dieses ganzheitliche Handlungskonzept der sozialen Arbeit nimmt den Menschen in seinen gesellschaftlichen und räumlichen Bezügen, den individuellen Teilhabe-Chancen und Lebensbedingungen in den Blick. Ziel der SRO ist es, jede*n Einzelne*n darin zu unterstützen, die eigene Biografie selbstbestimmt zu gestalten.
Die Bremer Initiative gründete sich nach Auflösung der psychiatrischen Klinik Kloster Blankenburg im Jahr 1988. Angetrieben vom Wunsch nach allgemeiner Veränderung schlossen sich Patient*innen, Klinikmitarbeiter*innen, interessierte Bürger*innen sowie Künstler*innen zur „Blauen Karawane“ zusammen. Gemeinsam zogen Mitglieder des Vereins als politisch-kreatives Kollektiv von Trier über neun Städte nach Bremen, um mit künstlerischen und teils provokanten Aktionen auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen: die Abkehr von der sogenannten Verwahrpsychiatrie, bei der es vornehmlich um das Ruhigstellen der Patienten, nicht jedoch um deren Förderung geht.
Auch nach Auflösung der Klinik fühlte sich die bunte Gemeinschaft fest verbunden und begab sich auf die Suche nach einem neuen Ort für Begegnungen und Debatten. In der Travemünder Straße in Bremen fand sie ein festes Domizil und wurde „sesshaft“: Neben Büroräumen gab es dort Platz für gemeinsame Aktivitäten und lebendige Diskussionen. Ein Jahr später öffnete hier auch das „Café Blau“ als Treffpunkt für den Stadtteil Bremen-Walle seine Türen. Ende der 1990er-Jahre erwuchs daraus die Idee für das „BlauHaus“ – ein Ort, an dem sich Menschen über politische Themen austauschen und in Ateliers oder Werkstätten schöpferisch tätig werden können.
Heute, knapp zwanzig Jahre später, nimmt die Erfolgsgeschichte des Vereins weiter ihren Lauf: In der Bremer Überseestadt wird derzeit mit der Baugenossenschaft GEWOBA ein generationenübergreifendes Wohn-, Beschäftigungs- und Kulturprojekt realisiert. Für Menschen aus unterschiedlichen sozialen Milieus entstehen in diesem Ortsteil neben 83 Apartments auch drei barrierefreie Wohngemeinschaften. Durch die Kooperation mit dem Martinsclub e. V., einem etablierten Sozialträger für Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigung, ist die Betreuung von Personen mit Hilfebedarf gewährleistet. Neben der ambulanten Betreuung leitet der Verein die Demenz-WG sowie eine WG für Menschen mit komplexem Hilfebedarf.
Ergänzt wird das inklusive Wohnkonzept durch ein Stadtteilbüro, eine integrative Kita für rund 60 Kinder mit und ohne Förderbedarf sowie durch ein ebenfalls neu errichtetes Quartierszentrum. Diese sogenannte „Blaue Manege“ bietet auf 671 m² Hausbewohner*innen, Nachbar*innen und allen anderen, die mitmachen wollen, Raum für gemeinsame künstlerische und sportliche Aktivitäten. Das Angebot reicht von Theater-, Musik- und Bildungsveranstaltungen für jedermann bis hin zu Malgruppen, Keramik- und Holzwerkstätten für Menschen mit und ohne psychische Beeinträchtigung.
Durch den Einsatz von Eigenleistungen und Spendengeldern soll die spätere Miete erschwinglich bleiben.