Die von uns geförderten Projekte sind
unsere Fenster in die Welt.

Die von uns geförderten Projekte sind
unsere Fenster in die Welt.

Gemeinsam zur Hochschulreife – Waldorf und Montessori in einem Boot

Schüler und Lehrerin in einem Klassenzimme in einer Diskussions-Situation im Englischunterricht
Diskussions-Situation im Englischunterricht, Foto: Gernot Muhr

Der Campus Wien West vereint Waldorf- und Montessori-Schüler unter einem Dach und bereitet sie auf das Internationale Baccalaureat als alternativen Hochschulzugang vor. Die Pionierphase dieses einzigartigen Angebots wurde von der Alanus Hochschule wissenschaftlich begleitet – die Ergebnisse sind ausgesprochen positiv.

Seit dem Schuljahr 2013/14 bietet der Campus Wien West (CWW) jungen Menschen im Alter von 16 bis 19 Jahren die Möglichkeit, sich in zwei Jahren auf die Hochschulreife vorzubereiten: Mit dem „International Baccalaureate Diploma Programme“ (IBDP) erlangen sie ein international anerkanntes Äquivalent zu Abitur und Matura. Die beiden Kooperationspartner des CWW, die Freie Waldorfschule Wien West und der Montessori Campus Wien, hatten etwa zeitgleich mit dem Aufbau einer Oberstufe begonnen und dabei nach alternativen Formen und einem Schulabschluss gesucht, der zu ihrem jeweiligen reformpädagogischen Ansatz passt. Mit dem Campus Wien West beschreiten sie nun gemeinsam neue Wege.

Schrittweise Annäherung
Der Anspruch beider Schultypen, möglichst selbstständiges und umfassendes Lernen zu fördern, wird am Curriculum deutlich: So leisten alle Schülerinnen und Schüler im Rahmen des „Creativity Activity Service“ (CAS) im Laufe von zwei Jahren 150 Stunden im Bereich Kunst, Sport oder Sozialer Dienst. Ebenfalls verpflichtend ist eine umfangreiche Hausarbeit zu einem frei gewählten Thema. Kunst und Mathematik werden in englischer Sprache unterrichtet, auch das Lerntagebuch zum CAS-Projekt muss auf Englisch verfasst werden. Nach Abschluss der Vorbereitungszeit erfolgt eine zentrale Prüfung durch die in Genf ansässige International Baccalaureate-Stiftung. Derzeit gibt es in beiden Jahrgängen je eine Waldorf- und eine Montessori-Klasse – es hat sich gezeigt, dass der Anspruch, beide Gruppen in allen Fächern gemischt zu unterrichten, aufgrund der unterschiedlichen Ansätze nicht sofortumgesetzt werden kann. Das Kollegium setzt nun auf eine schrittweise Annäherung: Den Anfang machen im Schuljahr 2016/2017 das Fach Mathematik, in dem alle Schüler gemeinsam unterrichtet werden. Außerdem gibt es gemeinsame Ausstellungsbesuche und Exkursionen.

Wissenschaftliche Begleitung durch die Alanus Hochschule
Seit dem Start im Jahr 2013 hat die Alanus Hochschule, finanziert durch Mittel der Software AG – Stiftung, den Campus Wien West wissenschaftlich begleitet. Die Prozessevaluation basiert auf schriftlichen Befragungen der Schüler (n=40), der Lehrkräfte (n=10) und Eltern (n=40). Ein wesentliches Ergebnis ist, dass sich die Schüler von den Lehrkräften in hohem Maße unterstützt und wahrgenommen fühlen (97,3 % Zustimmung) und das Angebot persönlich sehr schätzen. Die größte Belastung war aus ihrer Sicht die Fülle des zu verarbeitenden Lernstoffs. Aus Elternsicht wurden sie jedoch nicht überfordert und auch der Übergang aus den vorherigen Schulformen gelang ihrer Einschätzung nach sehr gut.

Hohe Wertschätzung von Schülerseite
Der überwiegende Teil der Schüler ist mit der eigenen Entwicklung eher zufrieden und weiß, die Schulkultur zu schätzen. Nahezu 100 Prozent finden das Verhältnis zu ihren Lehrern gut, fühlen sich von ihnen ernst genommen und unterstützt. Auch die Schulorganisation wird insgesamt positiv beurteilt, allerdings wünschen sich viele Schüler eine größere Fächervielfalt. Ihre unterschiedlichen Vorerfahrungen fanden etwa 70 Prozent für das Arbeitsklima hilfreich (30 % volle Zustimmung, 40 % trifft eher zu). Der Wunsch, mehr Kurse im Angebot zu haben, die Waldorf- und Montessori-Schüler gemeinsam besuchen können, war bisher noch nicht sehr ausgeprägt, nimmt aber tendenziell zu. Die Eltern, von denen ein Viertel den Fragebogen ausgefüllt hat, beurteilen Lernverhalten und Persönlichkeitsentwicklung ihrer Kinder positiv. Mit der Begleitung durch die Lehrkräfte, der Organisation und der didaktischen Qualität sind sie weitgehend zufrieden. Für die Lehrer war insbesondere in der Anfangsphase das Aufeinandertreffen der beiden Schulkulturen eine große Herausforderung. DieTrennung in einen Montessori- und einen Waldorfzweig hat zunächst eine deutliche Entlastung gebracht, dennoch strebt das Kollegium weiterhin ein organisches Zusammenwachsen an. Dem Campus Wien West ist daher nach einem gelungenen Start zu wünschen, dass die in dieser Form einmalige Bereicherung durch die pädagogische Vielfalt durch eine zukünftig kontinuierlich verstärkte Integration beider Schulkulturen weiterhin gestärkt wird.

Von den Autoren der Studie: Dirk Randoll, Professor für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt quantitative empirische Sozialforschung und Jürgen Peters, Lehrkraft für besondere Aufgaben im Institut für Erziehungswissenschaft und empirische Bildungs- und Sozialforschung.

Beide Autoren sind an der Alanus Hochschule tätig und haben diesen Artikel in der Semesterzeitschrift „Universalis“ veröffentlicht.