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Medienmündig werden – mit und ohne Bildschirm: Erste Ergebnisse einer Alanus-Studie über Medienerziehung in der Reformpädagogik

Waldorfschüler lernen von ihrem Lehrer den Umgang mit Hörfunktechnik
Foto: C. Fischer

Bildung im digitalen Zeitalter ist nicht erst seit der Corona-Pandemie und dem damit verbundenen Heim- und Online-Unterricht ein wichtiges Thema. Schon seit Jahren läuft eine teilweise hitzig geführte Diskussion über Sinn oder Unsinn der Digitalisierung in deutschen Klassenzimmern. Interessant ist in diesem Zusammenhang der Begriff der Medienmündigkeit: Dahinter steckt die Idee, Kinder und Jugendliche altersgemäß mit unterschiedlichen Medien vertraut zu machen, so dass sie später selbstbestimmt mit ihnen umgehen. Einen wichtigen Beitrag zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den damit einhergehenden Fragen leistet das vierjährige Forschungsprojekt „Medienerziehung an reformpädagogischen Bildungseinrichtungen“ von Paula Bleckmann, Professorin am Institut für Medienpädagogik der Alanus Hochschule in Alfter bei Bonn.

Medienkompetenz umfassend schulen

Viele reformpädagogische Kindergärten und Schulen verzichten in der frühen und mittleren Kindheit bewusst auf Bildschirmmedien. Wenn SchülerInnen zum Beispiel selbst ein Daumenkino oder ein Hörspiel produzieren, lernen sie den Charakter dieser Medien ganz praktisch kennen. Wenn sie auf dem Schulhof den Pfeilen in einem Sortiernetzwerk folgen, begreifen sie spielerisch die Grundlagen informationsverarbeitender Systeme. Sortier-Algorithmen „benutzen“ wir unbewusst bei jeder Online-Recherche. Aber verstehen wir auch, wie sie funktionieren?

Im Prinzip haben in der reformpädagogischen Medienerziehung das Begreifen und Gestalten einen höheren Stellenwert als das Bedienen und Konsumieren. Bisher werden diese Konzepte aber nicht flächendeckend in die Praxis gebracht. Daher werden im ersten Bereich des Forschungsprojekts Beispiele für „Good Practices“ gesammelt. Sie sollen weiterentwickelt sowie  als Handreichungen für eine verantwortungsvolle und nachhaltige Medienbildung verbreitet werden. Im Folgeprojekt „Analog-Digidaktik – Praxisbeispiele, wie Kinder ohne Bildschirm fit für das digitale Zeitalter werden“ entstehen hierzu ein Handbuch und eine Website. „Dieses ambitionierte Forschungsprojekt stellt der inhaltlich wenig fundierten und zeitlich immer früher einsetzenden Digitalisierung im Unterricht sinnvolle und menschenkundlich begründete Konzepte entgegen“, ist der Erziehungswissenschaftler und SAGST-Projektleiter Prof. Dr. Dirk Randoll überzeugt. „Nicht zuletzt geht es auch darum, dass die Modelle einer alternativen Medienerziehung sowohl im wissenschaftlichen Diskurs als auch in der digitalen Bildungspolitik zur Kenntnis und ernst genommen werden.“

Zwischenbericht der MünDigStudie

Ein zweiter Baustein des Projekts ist die MünDig-Studie, eine Online-Befragung zum Thema „Mündigkeit und Digitalisierung“, an der 2019 rund 1.400 pädagogische Fachkräfte, 3.000 Eltern und 500 SchülerInnen reformpädagogischer Einrichtungen teilgenommen haben. In einem Zwischenbericht konnte das Forschungsteam Ende 2020 bereits Einblicke in die Ergebnisse der Elternbefragung vorlegen. Demnach bewerten Montessori- und Waldorfeltern die Praxis an den Bildungseinrichtungen ihrer Kinder insgesamt positiv: Im Gesamtdurchschnitt sind 90 Prozent zufrieden mit dem Teil der Medienerziehung, der ohne Tablets, Computer & Co. auskommt.

Viele Eltern wünschen sich allerdings mehr pädagogische und technische Unterstützung von den Lehrerkollegien, zum Beispiel zur Installation von Zeitbegrenzungs- oder Filtersoftware. Abhängig vom Alter der Kinder zeigen sich außerdem insbesondere bei der Frage, wie Eltern den Einsatz von Bildschirmmedien bewerten, deutliche Unterschiede: Während die meisten Eltern von Kindergarten- und Grundschulkindern es für gut halten, dass Computer in diesen Altersgruppen noch außen vor bleiben, wünschen sich Eltern mit Kindern in den Klassen 7 bis 13, dass die Potenziale digitaler Geräte im Unterricht stärker genutzt werden sollten: Mehr als die Hälfte (56 Prozent) ist in diesem Punkt sehr oder eher unzufrieden. Auch im Bereich Produzieren und Präsentieren mit Medien äußert diese Gruppe mehr Kritik: 39 Prozent der befragten Eltern von OberstufenschülerInnen sind der Meinung, dass Bildschirmmedien in dieser Hinsicht zu wenig zum Einsatz kommen.

Im dritten Bereich, der Aus- und Weiterbildung, arbeitet das Team an der finalen Konzeption des Zertifikatskurses „Medienmündig“. Dieser baut auf dem von Paula Bleckmann mitkonzipierten Präventionsprogramm „ECHT DABEI“ auf und startet im Herbst 2021 an der Alanus Hochschule in Kooperation mit weiteren Standorten. Er wird aus Präsenz- und Onlinemodulen bestehen und richtet sich an PädagogInnen an staatlichen und reformpädagogischen Bildungseinrichtungen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Altersstufe null bis zwölf Jahre. Für ältere Zielgruppen werden an der Freien Hochschule Stuttgart waldorfpädagogische Praxismaterialien erstellt sowie Aus- und Weiterbildungen zum Thema angeboten.

Veranstaltungshinweis: Fachtag „Medienmündigkeit – gesund aufwachsen & digital-kompetent werden“ am 4. März 2021

Die Corona-Pandemie erfordert neue Unterrichtsformate – Möglichkeiten und Risiken der Digitalisierung treten wie unter dem Brennglas verschärft zutage. Beim Online-Fachtag von „ECHT DABEI“ treffen VertreterInnen aus dem Gesundheits- und Bildungssystem, aus der Politik, der Wissenschaft und der pädagogischen Praxis zusammen.

Mehr Informationen zum Programm und Anmeldung unter: https://www.echt-dabei.de

Mehr zum Thema:

„Gesund aufwachsen mit Medien“ lautete auch das Jahresthema des SAGST-Magazins „implizit“ 2019. Einblicke in spannende Projekte zum Thema gibt die Projekt-Website, die SchülerInnen aus Düsseldorf und Mönchengladbach im Herbst 2019 für die Stiftung gestaltet haben.

Tipps für einen guten Umgang mit Medien zur Corona-Zeit finden sich zudem in diesem Beitrag, der im Mai 2020 auf der SAGST-Homepage erschienen ist.