Von der Bühne in die Köpfe – Wie Improvisations-Theater Vertrauen stärkt und bei der Suchtprävention helfen kann
„Eine Woche Theater und mehr“ verspricht das Theater RequiSiT den Schülerinnen und Schülern der Westpfalzschule Weilerbach sowie rund 14 weiteren Schulen in Hessen. Das „mehr“ steht dabei für Vertrauen, Offenheit sowie den Mut, Situationen anzunehmen und sich zugleich verändern zu lassen. All das sind nicht nur die Prinzipien des Impro-Theaters, sondern auch wichtige Bausteine der Suchtprävention, der sich das Theater RequiSiT verschrieben hat. Denn die Schauspielerinnen und Schauspieler, die in der Zeit von Januar 2018 bis Dezember 2020 mit rund 600 Jugendlichen theaterpädagogisch arbeiten und sich ihren Fragen rund um das Thema „Sucht“ stellen, haben alle eine eigene Suchtvergangenheit hinter sich.
„Natürlich formulieren die Schüler zum Teil sehr intime Fragen wie ‚Was hast du genommen?‘ oder ‚Was haben deine Eltern gesagt?‘ und die Schauspieler antworten dann auch sehr persönlich. Aber dabei bleibt es nicht“, sagt Theater-RequiSiT-Leiterin Nora Staeger. „Wir kommen ja nicht, um über Drogen zu sprechen, sondern über die Sucht und den Mechanismus dahinter. Daher geht es in den Gesprächen mit den Schülern ab Klasse 8 immer auch um die allgemeinere Ebene: Was ist Sucht überhaupt und was spielt mit rein – zum Beispiel Dealen, Beschaffungskriminalität oder Prostitution. Wir wollen, dass ein Gesamteindruck davon entsteht, wie sich eine Abhängigkeit entwickelt.“
Sucht sei, fährt Staeger fort, immer individuell, verlaufe aber meist nach einem Muster: „Die Kontrolle geht verloren, das Umfeld wird immer unwichtiger und die Konzentration richtet sich immer stärker auf diese eine Sache.“ Das RequiSiT-Team will diesem Mechanismus mit seinen Theaterworkshops etwas entgegensetzen. „Uns ist bewusst“, hebt einer der Schauspieler hervor, „dass es nicht reicht, Jugendliche über die Gefahren von Alltagsdrogen und illegalen Drogen nur zu informieren. Aber ergänzt durch Persönlichkeitsstärkung und Selbstreflexion geben wir ihnen Werkzeuge, um möglichen Gruppendynamiken zu widerstehen und ihren eigenen Weg zu finden.“
Denn Improvisationstheater, präzisiert Nora Staeger, könne das Vertrauen in sich und andere auf- bzw. ausbauen. „Leider“, so die Theaterpädagogin weiter, „bringen nicht alle Schüler diese wichtige Lebenskompetenz, die junge Menschen widerstandsfähig macht, von Haus aus mit.“ Fragt man die Jugendlichen selbst, wird dieses Bild bestätigt. „Ich bin hierhergekommen, um zu lernen, wie man anderen Menschen vertraut“, erzählt eine Schülerin. Den Schauspielern ist es daher besonders wichtig, jeden dort abzuholen, wo er oder sie steht und das Gefühl zu geben, „Du bist gut, so wie du bist“.
„Was ich besonders schön finde“, sagt Heinz Neffgen „ist zu sehen, wie sich die Schüler im Laufe der Woche verändern. Wie sie zusammenwachsen, wie sich ihr Selbstbewusstsein steigert und wie sie sich in anderen Rollen ausprobieren.“ Er ist als Schauspieler seit den Anfängen des Theaterprojekts im Jahr 1996 dabei und stellt fest, dass die Themen der Jugendlichen über die Jahre ähnlich geblieben sind. „Klar, die Gesellschaft und auch die Jugendsprache verändern sich“, betont er, „aber im Kern geht es immer um Menschen und ihre Gefühle.“