Nachhaltige Vermögensanlage aus Leidenschaft: Markus Ziener spricht im Interview über das zurückliegende Geschäftsjahr und Investitionen in die Zukunft

Cover von SAGST explizit 2021

Im Juli 2022 hat die SAGST ihren inzwischen sechsten Förder- und Finanzbericht unter der Überschrift „SAGST explizit“ online gestellt. Darin legt sie neben Zahlen und Fakten zur Fördertätigkeit auch die Anlagestrategie der Stiftung offen. Wie sich diese in der Krise bewährt hat und warum eine neue Anlagerichtlinie sowie ein weiterer Spezialfonds die Vermögensanlage der SAGST künftig noch nachhaltiger machen, erläutert Finanzvorstand Markus Ziener im Interview.

2020/21 hatte die Corona-Pandemie weitreichende Konsequenzen für die Finanzmärkte. 2022 bewegt der Ukraine-Krieg die Menschen und das Kursgeschehen. Was für eine Anlagestrategie brauchen Stiftungen in diesen besonderen Zeiten?
Markus Ziener: Widerstandsfähiger werden gegen solche externen Schocks, wie wir sie heute vermehrt und in immer kürzeren Abständen beobachten, können Stiftungen, die auf Diversifikation in der Vermögensanlage setzen und bereit sind, in einzelnen Asset-Klassen kurzfristig auch mit Verlusten bzw. Negativrenditen zu leben. Am wenigsten anfällig für äußere Effekte, das hat auch das letzte Jahr wieder gezeigt, ist der Immobilienbereich. Besonders Investitionen in wohnwirtschaftlich genutzte oder multi-tenant-fähige Gebäude sind stabil. Trotzdem merken auch wir hier einen Kriseneinfluss – sowohl durch die Pandemie als auch durch den Krieg. Denn wir als Stiftung bauen selbst und mussten dabei vereinzelt feststellen, dass es infolge von Versorgungsengpässen zu leichten, aber glücklicherweise vertretbaren Verzögerungen auf den Baustellen kommt.

Im vergangenen Geschäftsjahr ist die SAGST mit Besonnenheit und auch ein bisschen Glück gut durch die Krise gekommen. Wie hat sich ihr Vermögen 2021 entwickelt?
Markus Ziener: Die SAGST ist insgesamt in drei Asset-Klassen investiert. Sie verfügt nicht nur über einen Bestand an Immobilien und unterhält über die PRISMA Investment GmbH einen Spezialfonds, sondern beteiligt sich finanziell auch direkt an einigen Unternehmen. Diese kommen u. a. aus der IT- oder Lebensmittel-Branche, die von der Pandemie überproportional profitieren konnten. Andere Beteiligungen etwa in Form von Nachrangdarlehen unterliegen der Festverzinsung, sodass die betreffenden Unternehmen in wirklich substanzielle Schwierigkeiten geraten müssten, damit es zu finanziellen Ausfällen für uns als Stiftung kommt. Auf diese Weise haben wir im Segment der Unternehmensbeteiligungen ebenfalls eine gewisse Sicherheit. Mit mehr Risiko, dafür natürlich auch mit mehr Chancen verbunden sind unsere Aktivitäten auf dem Kapitalmarkt. Aber auch hier konnten wir in 2021 – wie schon im Jahr zuvor – ein Plus verzeichnen. Man kann also sagen: Alle unsere Vermögensbereiche haben sich trotz Krise positiv entwickelt.

Ein wichtiges Ereignis für das Vermögensmanagement der SAGST war im letzten Jahr die Verabschiedung einer Anlagerichtlinie im Vorstand. Welche Bedeutung kommt ihr heute und in Zukunft zu?
Markus Ziener: Seit zwei, drei Jahren beschäftigen wir uns als Stiftung intensiv mit der Frage, wie wir unserem Kapital nicht nur über unsere Fördertätigkeit, sondern auch durch unsere Investitionen einen Sinn geben können – jetzt und in Zukunft. Das machen wir wie viele andere institutionelle Anleger nicht, um regulatorischen Anforderungen gerecht zu werden, sondern gewissermaßen aus Leidenschaft. Denn wir sehen es als unsere Aufgabe an, auch im Asset-Bereich zur Gesundung der Gesellschaft beizutragen und unser Vermögen entsprechend zu transformieren. Diesem inneren Auftrag hat unsere Anlagerichtlinie nun erstmals eine Form gegeben, die weit über mein persönliches Wirken als Finanzvorstand Impulse für die künftige Vermögensanlage unserer Stiftung setzen wird. Schon heute lässt sie uns gefestigter agieren, gibt uns eine klare Marschrichtung vor und hilft der SAGST, als Asset-Managerin Schritt für Schritt noch besser zu werden.

Wo bildet die Richtlinie die bisherige Anlagestrategie, wo geht sie darüber hinaus?
Markus Ziener: Die Anlagerichtlinie sieht vor, dass wir perspektivisch unser Kapital – heute rund 1,4 Milliarden Euro – zu 100 Prozent nachhaltig investieren. Für uns heißt das, dass wir nicht nur auf Rendite, Sicherheit und die Verfügbarkeit von Kapital achten müssen, sondern auch eine vierte Dimension, nämlich die sozial-ökologische Wirkung, ausdrücklich in unsere Betrachtung mit einbeziehen. Diese prüfen wir seit Herbst 2021 vor jeder neuen Investitionsmöglichkeit und sind davon überzeugt, dass sich eine ethische Kapitalanlage doppelt rechnet. Bereits jetzt sind zehn von unseren insgesamt 13 Direktbeteiligungen sogenannte Mission Investments, die neben einem finanziellen auch einen ideellen Zweck erfüllen, und auch viele unserer gerade neueren Immobilien entsprechen hohen Nachhaltigkeitsstandards. Einige Bauten – etwa in Nürtingen oder Mannheim – sind nicht nur als Gebäudehülle, sondern auch mit Blick auf ihre Nutzung als nachhaltig zu bezeichnen, da hier neue Formen des Zusammenlebens erprobt werden. Einen weiteren wesentlichen Schritt hin zu einer noch stärker wirkungsorientierten Vermögensanlage haben wir kürzlich mit der Auflage eines zweiten Spezialfonds in Höhe von 40 Millionen Euro getan. Er investiert in 72 Unternehmen, die u. a. anhand von ökologischen und sozial-gesellschaftlichen Aspekten sowie der Art ihrer Unternehmensführung positiv bewertet wurden, und wird von der GLS Investments gemanagt. Als ihr erster institutioneller Anleger profitieren wir von einem umfassenden Know-how und langjähriger Erfahrung mit nachhaltigen Publikumsfonds. Gleichzeitig ist der neue Fonds auch ein Ansporn für die PRISMA Investment GmbH, nicht nur wie bisher keine Investitionen zu tätigen, die dem Stiftungszweck entgegenstehen, sondern ganz bewusst auch in solche Anlageobjekte zu investieren, die einen positiven Beitrag für die Entwicklung von Mensch und Gesellschaft leisten.