Digitale Medien neu (be)greifen: Good-Practise-Beispiele zur „Analog-Digidaktik“

Kind in der Hüpfschnecke
Foto: B. Pemberger

Kinder und Jugendliche wachsen heute in einer Welt auf, die in zunehmendem Maße von Digitalisierung geprägt ist. Um in ihr bestehen zu können und frühzeitig die dafür nötigen Fähigkeiten zu erwerben, glauben einige, brauche es bereits in der Grundschule oder sogar im Kindergarten möglichst viel Umgang mit (digitaler) Technik. Prof. Dr. Paula Bleckmann und Brigitte Pemberger von der Alanus Hochschule in Alfter bei Bonn verfolgen mit dem Projekt „Analog-Digidaktik“ einen anderen Weg.

Die beiden Forscherinnen wollen mit ihrem kindgerechten Ansatz zur digitalen Bildung Medienmündigkeit statt Medienkompetenz fördern. Es geht also nicht darum, die richtige Bedienung von Computer oder Tablet zu erlernen, sondern darum, den Kindern das Nachschreiten der Medienevolution zu ermöglichen. Auf Grundlage eigener Erkenntnisse beim handelnden Tun können auch die Funktionsweisen von digitalen Medien erkundet werden. Das Besondere dabei: Die Umsetzung erfordert weder eine teure Infrastruktur noch regelmäßige Updates. „Wir arbeiten zusammen mit Lehrkräften an Praxisbeispielen, die weitestgehend ohne Bildschirmmedien auskommen.“, so Prof. Dr. Bleckmann. „Analog-Digidaktik“, erklärt sie, „heißt für jüngere Kinder vielmehr, die zu ihrem Entwicklungsstand passenden Medien – und zwar die analogen – einzusetzen, und darüber zum Beispiel Grundlagen der Informatik zu vermitteln.“ Mit Kartentricks, Bewegungsspielen oder der Murmel-Addier-Maschine, kurz Binäre MAMA, etwa lasse sich sehr gut erforschen, wie Computer im Kern aufgebaut sind. „Die Binäre MAMA aus Holz mit ihren Kippschaltern“, fügt Pemberger hinzu, „ist – anders als Tablet & Co., wo wir nur die Ein- und Ausgabe von Daten erleben, – keine Blackbox. Verarbeitungsprozesse sind hier zu hundert Prozent (be)greifbar. So ist es letztlich nicht überraschend, aber sehr erfreulich, wenn Kinder beim Murmelspiel selber auf die Idee kommen, dass Computer nicht denken, sondern nur rechnen können.“

Diese und andere analoge Ideen aus dem medienpädagogischen wie informatischen Bereich, die in Grundschulen und Kindergärten zum Ausprobieren, Durchschauen und Gestalten der realen sowie später auch der medialen Welt einladen, werden an der Alanus Hochschule seit 1. März 2021 im Rahmen eines u. a. von der Software AG – Stiftung finanzierten Projekts gesammelt und dokumentiert. Ziel ist es, Bildungseinrichtungen unabhängig von ihrer pädagogischen Ausrichtung Good-Practise-Beispiele aus der „Analog-Digidaktik“ vorzustellen, die weitestgehend ohne digitale Endgeräte einen kritischen Medienumgang anbahnen und Überlegungen zur Medienkompetenzförderung mit Mediensuchtprävention zusammenbringen. „Damit stellen Paula Bleckmann und Brigitte Pemberger der zeitlich immer früher einsetzenden Digitalisierung im Unterricht sinnvolle und menschenkundlich begründete Konzepte entgegen“, ist der Erziehungswissenschaftler und SAGST-Projektleiter Prof. Dr. Dirk Randoll überzeugt. „Sie leisten mit ihrer Arbeit einen wichtigen Beitrag dazu, dass die Modelle einer alternativen Medienerziehung nicht nur zur Kenntnis, sondern auch ernst genommen werden – im wissenschaftlichen Diskurs genauso wie in der Bildungspolitik.“

Die Veröffentlichung der Praxisbeispiele ist für 2023 geplant. In die Publikation werden vielfältige Erfahrungen aus staatlichen und reformpädagogischen Bildungsinstitutionen einfließen. An Letzteren wurde bereits 2019 eine Online-Befragung zum Thema „Mündigkeit und Digitalisierung“ durchgeführt, an der rund 1.400 Lehrkräfte, 3.000 Eltern und 500 SchülerInnen teilgenommen haben. Auch Elemente aus dem von Prof. Dr. Bleckmann mitkonzipierten Programm zur Mediensuchtprävention, das im Herbst 2018 unter dem Titel „ECHT DABEI“ an der Alanus Hochschule in Kooperation mit weiteren Standorten weiterentwickelt wurde, finden sich hier wieder.

Foto: Einfache WENN-DANN-Programmierungen testen in der Hüpfschnecke