Bewegende Sprache: der Lautsinn
Lange bevor Kinder anfangen zu reden, erkunden sie Sprache – erst aufmerksam lauschend, später durch feines Beobachten sowie unermüdliche Nachahmung. Voraussetzung für die ersten eigenen Worte, die sie im Alter von etwa zwölf Monaten formen, ist der Lautsinn – unsere Fähigkeit, Sprachäußerungen von anderen als solche wahrzunehmen und so in Beziehung mit ihnen zu treten.
Über Sprachmelodie, Tonlage sowie Mimik und Gestik offenbart sich dabei bereits dem Säugling die menschliche Seele. Er ist in der Lage, Widersprüche zwischen verbalem Gefühlsausdruck sowie der Körperhaltung zu erkennen, und reagiert auf sprachliche Laute anders als auf Geräusche.
Über Sprache, bemerkte Rudolf Steiner daher, lernen Kinder das Urteilen. Sie ist Schlüssel zur Welt, wirkt gemeinschaftsbildend und bewegt – Sprecher wie Zuhörer. Dies belegen Untersuchungen zu sogenannten Mikroexpressionen im Gespräch, feinste Reflexe am ganzen Körper, die universell bei allen Menschen auftreten, wenn sie bestimmte Laute hören, unabhängig davon, ob das Wahrgenommene verstanden wird. Letzteres erfordert einen geistigen Prozess des aktiven Zuhörens, bei dem neben dem Lautsinn, mit dem wir auch sinnloses Gekritzel von Buchstaben unterscheiden, zusätzlich der Gedankensinn involviert ist.
Mehr zum Lautsinn im Kalenderblatt 06
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