In Beziehung: Gemeinsam essen, gesund aufwachsen

Beete inmitten einer Plattenbausiedlung
Foto: S. López/Villa Jühling

In Heide-Nord, einem Stadtteil von Halle an der Saale, leben rund 6.000 Menschen. Die unter ihnen weitverbreitete Arbeits- und Perspektivlosigkeit prägt das vom öffentlichen Nahverkehr weitgehend abgeschnittene Quartier. 2016 hat hier das evangelische Bildungs- und Projektzentrum Villa Jühling e. V. den Gemeinschaftsgarten „Bunte Beete“ ins Leben gerufen – für Groß und Klein eine wahre Oase innerhalb der trostlosen Plattenbausiedlung.

Kaum zu glauben, aber auf einer rund 1.500 m² großen, ehemaligen Brachfläche zwischen den Wohnblocks gedeihen mittlerweile Möhren, Salat und Kohlrabi sowie zahlreiche weitere Obst- und Gemüsesorten. Diese Vielfalt spiegelt auch die Zusammensetzung in der Kindergruppe wider, die sich bei den „Bunten Beeten“ dreimal wöchentlich auf einem speziell für sie abgesteckten Lern- und Spielareal trifft. Unter Anleitung kümmern sich die Sechs- bis Zehnjährigen dann voller Begeisterung um die Pflege und Ernte der dort angebauten Lebensmittel, von denen sie vor ihrem ersten Besuch nur wenige benennen konnten. Beim Gärtnern in Gemeinschaft verbringen sie viel Zeit im Freien, bewegen sich und erwerben lebenspraktische Fähigkeiten. Gleichzeitig erlangen sie spielerisch Wissen über heimische Arten, nachhaltige Anbaumethoden sowie die vielfältigen Zusammenhänge in der Natur.

Das Kochen ist dabei ein zweiter, wesentlicher Baustein für das pädagogische Konzept vor Ort: Bei der Zubereitung der Mahlzeiten probieren die Mädchen und Jungen im Grundschulalter leckere Rezepte aus, kalkulieren, schälen oder schnippeln die frischen Zutaten und lassen es sich anschließend in der Gruppe schmecken. Auf diese Weise entwickeln sie nicht nur ein Verhältnis zu gesunder Nahrung, sondern erfahren auch die Bedeutung von sinnlichem Genießen sowie Ritualen im sozialen Miteinander. Ein in vielerlei Hinsicht wertvolles Erlebnis, das für manche von ihnen vollkommen neu ist, betont Daniel Brandhoff. Der Erlebnispädagoge leitet die Projektarbeit des freien Trägers im Stadtteil und erklärt, wie wichtig vor allem die Gespräche am Esstisch seien: „Während der Mahlzeiten erzählen die Kinder von ihrem Tag und berichten, was sie aktuell beschäftigt. Bei uns spüren sie, dass man ihnen zuhört. Außerdem lernen sie einen respektvollen Umgang untereinander und schaffen es, Konflikte konstruktiv zu lösen sowie gemeinsam Pläne zu schmieden.“

Dass es auch warme Mahlzeiten jenseits von Fertigprodukten und Aufbackwaren gibt, sei – ganz nebenbei – eine weitere neue Erkenntnis für viele GrundschülerInnen im Projekt sowie die langfristige Grundlage für einen bewussteren Lebensstil. Vor diesem Hintergrund freut es die PädagogInnen besonders, wenn auch die Eltern gelegentlich beim Zubereiten von Gemüsesuppen und anderen Speisen mithelfen. Denn ein direkter Austausch auf Augenhöhe und das Einbeziehen der gesamten Familie stelle einen zentralen Anknüpfungspunkt für die spätere Arbeit im Quartier dar, so Daniel Brandhoff. Essenziell für ihn: „Bei allen Tätigkeiten mit Eltern und Kindern gilt es, stets die individuellen Stärken und Ressourcen in den Blick zu nehmen.“ Vor allem Letztere könnten viel mehr, als man ihnen zunächst zutrauen würde. „Es beeindruckt mich immer wieder, mit welcher Hingabe die Mädchen und Jungen beim Gießen helfen, unermüdlich durch den Garten rennen sowie selbst kleinste Details entdecken und dabei ganz achtsam mit den Tieren umgehen, die ihnen auf dem Acker begegnen.“