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Herausforderung Bio-LK: Habilitation über hessische Waldorf-AbiturientInnen

Tafelbild aus dem Biologie-Unterricht
Foto: C. Fischer

Neben seiner Tätigkeit als Oberstufenlehrer für Naturwissenschaften an der Freien Waldorfschule Marburg ist Dirk Rohde auch Mitglied des Kollegiums des Graduiertenkollegs Waldorfpädagogik an der Alanus Hochschule sowie Lehrbeauftragter an der Universität Marburg, wo er im Fachbereich Erziehungswissenschaft Einführungsseminare in die Waldorfpädagogik für Lehramtsstudierende gibt. Ende 2021 habilitierte er dort mit einer vergleichenden Studie zum Umgang der hessischen Waldorfschulen mit dem Zentralabitur am Beispiel des Biologieunterrichts. „Die Akademisierung der Waldorfpädagogik ist der SAGST ein wichtiges Anliegen“, erklärt SAGST-Projektleiter Andreas Rebmann. „Wir freuen uns deshalb mit Dirk Rohde über die erfolgreich abgeschlossene Habilitation und gratulieren ihm dazu sehr herzlich. Die von ihm bearbeitete Fragestellung ist nicht nur für die Waldorfschulbewegung, sondern auch für die Regelschulen von Bedeutung.“

Anders als in den meisten anderen Bundesländern werden die Klassen 11 bis 13 der Waldorfschulen in Hessen als gymnasiale Oberstufe anerkannt. Bis zum Ende der 10. Klasse haben die Schulen relativ große Freiheiten und können ihrem eigenen, waldorfpädagogisch begründeten Lehrkonzept folgen. In den weiteren Klassen gilt die Vorgabe, dass die SchülerInnen in allen abiturrelevanten Fächern in gleichwertiger Weise unterrichtet werden wie an Regelschulen – das umfasst Lehrplan, Stundenzahl und Qualifikation der Lehrkräfte. Seit Einführung des hessischen Zentralabiturs im Jahr 2007 nehmen die AbiturientInnen der Waldorfschulen demnach auch an den entsprechenden, zentral vorgegebenen Abschlussprüfungen teil.

Insbesondere im Biologieunterricht bestehen in der Sekundarstufe I sowohl inhaltlich als auch methodisch große Unterschiede zwischen Waldorf- und Regelschulen: Der Waldorf-Biologieunterricht behandelt auf eher grundsätzliche Weise Phänomene des Lebendigen. Im Vordergrund stehen dabei der Mensch sowie sinnlich erfassbare Erscheinungszusammenhänge – mikroskopische, genetische oder biochemische Details spielen eine untergeordnete Rolle. Dennoch können hessische WaldorfschülerInnen die daraus resultierenden Lernrückstände offenbar gut aufholen und erzielen in den schriftlichen Abschlussklausuren im Biologie-Leistungskurs beim Abitur gleich gute oder sogar bessere Ergebnisse als SchülerInnen der Regelschulen. Das, so Rohde, stehe nicht im Einklang mit Befunden von Vergleichsstudien innerhalb des Regelschulsystems. „Dort gelingt ein solches Aufholen in der Sekundarstufe II“, sagt er, „in der Regel nur deutlich eingeschränkt bis gar nicht.“

Um die Gründe für das gute Abschneiden herauszufinden, interviewte Rohde in Hessen AbiturientInnen von Waldorfschulen sowie Gymnasien des Jahrgangs 2014 und stellte dabei vier unterschiedliche Formen im Umgang mit den Anforderungen des Biologieabiturs fest. „Diese“, erläutert der erfahrene Lehrer, „erstrecken sich auch auf andere schulische Anforderungen und bis in Studien- und Berufsausbildung hinein. Sie können daher als habitualisiert angesehen und als Schülerhabitūs bezeichnet werden. Da sich in der Entwicklung dieser Lernhaltung keine Unterschiede zwischen den beforschten Waldorf- und den Regelschulen nachweisen ließen, ist davon auszugehen, dass auch in den Waldorfschulen bereits deutlich vor dem Beginn der Sekundarstufe II eine abschlussorientierte Beschulung einsetzt.“ Als mögliche weitere Faktoren, die die Abiturvorbereitung der WaldorfschülerInnen begünstigen und in Anschlussprojekten näher untersucht werden müssten, identifizierte Rohde die besonders hohe Bildungsaffinität der Waldorfklientel, Unterschiede bei der Lernmotivation der SchülerInnen sowie in der Abiturvorbereitung durch die Lehrkräfte.