Die von uns geförderten Projekte sind
unsere Fenster in die Welt.

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„Die soziale Kraft der Kunst ist weiter da.“

Porträt Prof. Kienlin
Foto: F. Cornelsen

Prof. Andreas Kienlin hat als langjähriger Dozent, Prorektor und Geschäftsführer nicht nur das Bildhauerei-Studium, sondern auch grundsätzlich die Entwicklung der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft in Alfter bei Bonn geprägt. Anlässlich seiner Emeritierung im Herbst 2021 sprachen wir mit ihm über innere und äußere Widerstände, die besonderen Herausforderungen beim Steinbildhauen und die soziale Kraft der Kunst.

Herr Professor Kienlin, Sie haben bereits in den 1970er-Jahren als Student am Aufbau der Alanus Hochschule mitgewirkt. Die heutigen Studierenden sind in einer völlig anderen Ausgangssituation. Wie nehmen Sie diese wahr?
Andreas Kienlin: Der Wunsch, durch die Kunst die Welt humaner zu gestalten, der hat uns damals wie heute bewegt. Mich hat angetrieben, dass ich Bildhauerei und Kunst studieren wollte. Um das zu tun, mussten wir allerdings erst einmal überhaupt Ateliers bauen! Das war aber nicht schlimm, ich habe das positiv erlebt. Die jungen Leute, die sich heute bewerben, müssen sich mit anderen Widerständen auseinandersetzen, die vielleicht eher im Inneren liegen. Positiv betrachtet sind die heutigen Studierenden extrem vernetzt und in ständigem Austausch. Kommunikation und Wahrnehmung der Welt spielen eine viel bedeutendere Rolle als früher. Darin liegt aber auch die Gefahr, dass sie von der eigenen Arbeit abgelenkt werden. Umso entscheidender ist es, dass die Studierenden auch einmal aus ihrem sozialen Umfeld herauskommen und sich stärker auf sich selbst bzw. ihre Kunst beziehen können. Deshalb gibt es im Fachbereich neben dem Steinsymposium, das ich seit den 1990er-Jahren in meiner Wahlheimat in Norwegen durchgeführt habe, auch viele andere, ausgedehnte Reisen, etwa im Rahmen der Land-Art-Projekte meines Kollegen Jochen Breme.

Das jährliche Steinsymposium hat sich zu einem zentralen Bestandteil des Bildhauerei-Studiums entwickelt. Welche Bedeutung hat der Stein als künstlerisches Material?
Andreas Kienlin: Rudolf Steiner, auf dessen Kunstimpuls die Alanus Hochschule bei ihrer Gründung in den 1970er-Jahren aufbaute, fordert uns auf, in der künstlerischen Arbeit den Stoff sozusagen in die geistige Welt zu erheben. Wir arbeiten mit verschiedenen Materialien – z. B. mit Holz, Stein oder Metall – damit die Studierenden ganz konkret eine solche Umwandlung erfahren können. Der Stein bietet uns besonders viel Widerstand und fordert uns stark in unserem Willen. Mit ihm kann man nur arbeiten, wenn man viel Geduld und innere Kraft hat. Man kann daran Langsamkeit und Kontinuität üben – Fähigkeiten, die wir in der heutigen Zeit dringend brauchen. Es geht darum, den Studierenden zu zeigen, dass sie über diese Fähigkeiten verfügen. Und sie müssen Vertrauen in sich selbst entwickeln: Vertrauen, dass das, was sie tun, richtig ist – für sie, aber auch für die Welt. Es geht uns ja nicht um die Kunst als Selbstzweck, sondern darum, sie mit der Gesellschaft zu verbinden.

Die Steinsymposien erlauben es den Studierenden, sich mehrere Wochen lang intensiv mit diesem Material auseinanderzusetzen – welche Erfahrungen machen sie dabei?
Andreas Kienlin: Die Studierenden leben acht bis zehn Wochen von morgens bis abends als Gemeinschaft zusammen. Sie sind nicht nur künstlerisch tätig, sondern kochen, essen, feiern zusammen. Das hat sich für das Studium als sehr glücklich erwiesen. Ich beobachte es immer wieder: Nach ungefähr vierzehn Tagen bekommen sie rote Backen und sind glücklich und zufrieden mit sich sowie ihrer Wahl, Bildhauerei zu studieren. Ich freue mich für alle, die diese Erfahrung machen können. Denn natürlich ist es wichtig, Fähigkeiten auszubilden – aber das Allerwichtigste ist, dass die Studierenden an sich glauben. Dass sie etwas in ihrem Inneren finden, auf das sie sich berufen und aus dem heraus sie Sicherheit entwickeln können. Deshalb ist es schön, dass die Steinsymposien wohl fortgeführt werden. Die Planungen fürs kommende Jahr laufen bereits.

Seit den Anfangsjahren hat sich an der Alanus Hochschule vieles verändert. Gibt es dennoch so etwas wie einen Kern, den Sie auch heute noch verwirklicht sehen?
Andreas Kienlin: Auf jeden Fall. Dieser Kern hat mit dem Ansatz zu tun, dass die Kunst in die Gesellschaft hineinwirkt – und diese Haltung lebt auch heute weiter. Die Alanus Hochschule wird ja nach wie vor als Kunsthochschule tituliert und ist als solche staatlich anerkannt. Dass die Kunst wirkt – bis in die Schulen, die Therapie, durch Arbeiten im öffentlichen Raum – das sollte man nicht unterschätzen. Die soziale Kraft der Kunst, die wir schon in den Anfängen ins Zentrum unserer Arbeit gestellt haben, ist in der Hochschule weiter da. Ich bin froh und stolz, dass wir diesen Impuls im Laufe der Jahre erhalten und ausbauen konnten.

Zur Person:
Andreas Kienlin, geboren 1955, begann 1977 sein Studium der Bildhauerei an der Alanus Hochschule in Alfter bei Heinz Häußler und Raimar von Bonin. Nach dem Besuch der Meisterklasse von Wilfried Ogilvie und seinem Diplom in Freier Kunst war er ab 1981 als Dozent an der Alanus Hochschule in den Fachbereichen Bildhauerei und Architektur tätig. 1985 übernahm er Leitung und Ausbau des Fachgebiets Bildhauerei und war viele Jahre Dekan des Fachbereichs Bildende Kunst. 1999 bis 2014 war er parallel zu seiner Lehrtätigkeit Prorektor und Geschäftsführer in Alfter. 2002 wurde Andreas Kienlin durch das Land NRW zum Professor im Fachgebiet Bildhauerei berufen.