Anlegen und gleichzeitig fördern

Ansichtsexemplar des Förder- und Finanzberichts

Mit SAGST explizit 2019 hat die Software AG – Stiftung (SAGST) Anfang Juli inzwischen ihren vierten Förder- und Finanzbericht in dieser Form veröffentlicht. Er legt neben Zahlen und Fakten zur Fördertätigkeit auch die Anlagestrategie der Stiftung offen. Wie sehr diese mit dem ideellen Bereich der SAGST verbunden ist, zeigt sich am Beispiel der Bingenheimer Saatgut AG (BSAG). Im Doppelinterview mit Markus Ziener (SAGST-Vorstand und Vermögensmanager) sowie Sebastian Bauer (SAGST-Projektleiter und Aufsichtsratsvorsitzender bei der BSAG) erfahren Sie, was die Aktiengesellschaft zu einem gelungenen „Mission Investment“ macht.

Herr Ziener, was ist ein Mission Investment und warum nutzen Sie dieses Instrument?
Markus Ziener: Wir verfolgen eine nachhaltige Anlagepolitik. Oberstes Ziel ist der Erhalt des realen Stiftungsvermögens. Es versteht sich von selbst, dass wir dazu unser Geld nicht dort investieren, wo es dem Stiftungszweck zuwiderläuft. Idealerweise sollte beides sogar Hand in Hand gehen. Ein Mission Investment macht das möglich – die Verbindung einer Vermögensanlage mit der Förderung eines heilsamen Impulses – und passt deshalb sehr gut zu unserer Einrichtung.

Inwiefern, Herr Bauer, ist die BSAG hierfür ein Paradebeispiel?
Sebastian Bauer: Die Software AG – Stiftung gehört zu den größten Einzelförderern in der ökologischen bzw. bio-dynamischen Pflanzenzüchtung. Wir unterstützen hier durchschnittlich mit einer halben Million Euro pro Jahr. Unser Ziel ist es dabei, Sortenvielfalt für Landwirtschaft und Gartenbau zu erhalten sowie Saatgutentwicklung als Kulturaufgabe zu fördern. Genau das verbindet uns mit der BSAG. Durch die Vermehrung und Aufbereitung sowie den Verkauf von biologisch-dynamisch gezüchteten Sorten bringt sie diesen heilsamen Impuls ins Leben bzw. unter die Leute. Und das recht erfolgreich.

Herr Ziener, können Sie uns als Finanzvorstand der SAGST hierzu ein paar Zahlen nennen?
Markus Ziener: Die BSAG entwickelt sich sehr dynamisch. Um 15 Prozent ist ihr Umsatz im letzten Geschäftsjahr gestiegen. 2019/20 lag dieser Wert sogar bei 31 Prozent. Als Großaktionärin mit 40 Prozent der Anteile sind wir nicht unerheblich an den Erlösen beteiligt. Man könnte also sagen: Unser ideelles Engagement im Bereich der Saatgutforschung finanziert sich zu einem wachsenden Teil selbst.

Was bedeutet dieses exponentielle Wachstum für die BSAG?
Sebastian Bauer: Zunächst, dass Investitionen in neue Standorte und Betriebsstätten getätigt werden müssen. Denn auf dem Gelände der Lebensgemeinschaft Bingenheim, die ebenfalls Anteile hält und vor Ort eine Wohn- und Arbeitsumgebung für Menschen mit geistiger Behinderung anbietet, sind die Kapazitäten für Vertrieb und Lager mittlerweile erschöpft. Darüber hinaus wird natürlich auch viel im Bereich „Personalentwicklung“ passieren müssen – sowohl was die Strukturen als auch was die bloße Mitarbeiterzahl betrifft. Dabei legt die BSAG großen Wert auf ein gesundes, organisches Wachstum.

Und wie sieht die künftige Entwicklung bei der SAGST aus? Ist geplant, das Thema „Mission Investment“ weiter auszubauen?
Markus Ziener: Das Gewicht von Mission Investment in unserem Anlagemix ist bisher noch recht klein. In Anbetracht des Gesamtvolumens wären noch deutliche Steigerungen denkbar – vorausgesetzt, wir finden genügend geeignete Kandidaten hierfür.

Zur Bingenheiner Saatgut AG:

Die Bingenheimer Saatgut AG ist mit ihren 16 Jahren noch eine vergleichsweise junge Pflanze. Der Samen, aus dem alles gewachsen ist, wurde vor mehr als 30 Jahren gesät. Eine Gruppe aufgeschlossener und engagierter Demeter-Gärtner*innen schloss sich im „Initiativkreis für Gemüsesaatgut aus biologisch-dynamischem Anbau“ zusammen. Sie hatten schon in den 80er-Jahren erkannt, dass die Saatgutfrage zu einer Schlüsselfrage des Ökolandbaus werden würde. Sie erlebten mit, wie der Siegeszug der heute weitverbreiteten Hybridsorten zu einem drastischen Schwund von samenfesten Sorten führte und mit ihnen die natürliche Fähigkeit zur Vermehrung. Mit Besorgnis erkannte der Initiativkreis, dass die eher gentechniknahen Züchtungsmethoden die Grundlagen der biologischen Gemüseerzeugung infrage stellten.

Daher suchten sie einen neuen Weg und begannen damit, Saatgut von samenfesten Sorten aus biologischer und biologisch-dynamischer Vermehrung zu erzeugen. Eine große Aufgabe: Die Demeter-Gärtner*innen mussten sich das Wissen über Saatgutvermehrung im Gemüsebau unter den Bedingungen des ökologischen Landbaus erst nach und nach aneignen. Besonders wichtig war daher der intensive Erfahrungsaustausch unter den Mitgliedern der Initiative, der auch heute noch gelebt wird. Die ersten Saatguternten wurden untereinander ausgetauscht, doch bald schon zeigte sich, dass es einen zentralen Ort für die Aufbereitung und Prüfung des Saatgutes braucht.

In den Anfängen kümmerte sich die Allerleirauh GmbH, der Vertriebsbereich der Werkstätten der Bingenheimer Lebensgemeinschaft, um den Saatgutvertrieb. Jahre später war der Saatgutbereich so groß geworden, dass eine eigenständige Firma – die 2001 gegründete Bingenheimer Saatgut AG – alle Saatgutaktivitäten von Allerleirauh übernahm. Mit der Wahl der Gesellschaftsform der Aktiengesellschaft und der Festlegung der Aufgaben der neuen Firma wollten die Gründer die Impulse der Vergangenheit aufnehmen und gleichzeitig Raum für eine dynamische Entwicklung geben.

Quelle: BIOFACH 2020